Axel Lehmann hatte sich eigentlich auf ein ruhiges Rentnerdasein gefreut – ein bisschen Garten, ein bisschen vermietete Halle, ein bisschen Frieden. Stattdessen sitzt er heute mit gerunzelter Stirn über einem Brief der Stadt Hilden, der in etwa so freundlich formuliert ist wie eine Abmahnung vom Ordnungsamt wegen falsch herum eingetopfter Geranien. Der Inhalt: Seine Grundsteuer steigt – nicht etwa ein bisschen, sondern auf das Fünffache. Von 900 auf 4500 Euro. Ein Betrag, bei dem man sich fragt, ob er versehentlich das Kölner RheinEnergie-Stadion geerbt hat. Hat er nicht.
Willkommen im absurden Kabinett der Grundsteuerreform. Was eigentlich nur ein bürokratisches Update mit dem Charme einer Excel-Tabelle sein sollte, entwickelt sich in Hilden zum politischen Krimi mit mathematischem Nervenzusammenbruch. Die Stadt hat sich gedacht: "Wenn schon Hebesätze, dann bitte differenziert!" – und so kam es, wie es kommen musste: Wer wohnt, zahlt einen moderaten Satz. Wer arbeitet (oder Immobilien besitzt, in denen andere arbeiten), darf sich warm anziehen. Oder gleich umziehen.
Für Lehmann und viele andere Betroffene klingt das weniger nach Steuergerechtigkeit als nach einem Kafkaesken Steuerdschungel, in dem der Weg zum Einspruch länger dauert als ein Antrag auf Berliner Flughafen-Baugenehmigung. Er hat vor drei Jahren beim Finanzamt protestiert. Drei. Jahre. In dieser Zeit haben andere ein Haus gebaut, sich scheiden lassen und neu geheiratet. Axel Lehmann? Wartet noch.
Die Stadt Hilden selbst hingegen hat sich schon einmal vorsorglich auf Einnahmen in Millionenhöhe gefreut. Ein bisschen zu sehr, wie es scheint. Denn durch all die Einsprüche und laufenden Verfahren fehlen ihr jetzt auf einmal 600.000 Euro in der Kasse. Man könnte sagen: Die geplante Steuererhöhung ist ein bisschen wie ein Soufflé geworden – ambitioniert angesetzt, dann aber in sich zusammengefallen. Und das liegt nicht nur an der Bürokratie, sondern auch an der Tatsache, dass viele Menschen, vor allem kleinere Gewerbetreibende, einfach keine Lust mehr haben, für die Sanierung kommunaler Haushaltslöcher geradezustehen, während gleichzeitig der Bordstein vor ihrem Laden seit 1998 schief ist.
Aber zurück zu Herr Lehmann: Der hat zwar bereits einen Anwalt gefragt – aber auch nicht mehr Hoffnung als ein HSV-Fan am 33. Spieltag. Sein Eindruck: „Selbstständige gelten offenbar automatisch als Millionäre mit Champagnerbrunnen im Büro.“ Dabei ist er nicht mal mehr selbstständig – außer vielleicht in Sachen Durchhaltevermögen.
Und während sich Verwaltung, Rat und Finanzamt in einem Dreiecksverhältnis der Zuständigkeiten verheddern, fragen sich die Bürger: Warum wird eigentlich immer bei denen abkassiert, die sich nicht wehren können? Und warum regt sich niemand richtig auf?
Vielleicht, weil viele Hildener noch mit dem Itterfest beschäftigt sind. Vielleicht aber auch, weil die Briefe von der Stadtverwaltung inzwischen wie Spam wirken – man rechnet einfach nicht mehr mit guten Nachrichten. Man erwartet eher, dass demnächst die Luft besteuert wird. Aber nur, wenn sie gewerblich geatmet wird.
Bis dahin bleibt Axel Lehmann – und 22 weiteren Klägern – nur eines: Abwarten. Oder wie man in Hilden sagt: Hauptsache, es zieht nicht durchs finanzielle Loch.
Freitag, 10. Oktober 2025
10.10.2025: Grundsteuer-Schock in Hilden: Wenn der Briefkasten zum Horrorhaus wird
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen